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Emotionales Essen: Was dahinter steckt und wie es sich heilen lässt

Emotionales Essen heilen
Warum essen wir, ohne wirklich Hunger zu haben oder essen über den Hunger hinaus? Oft hat solch emotionales Essen tiefliegende Ursachen im Unbewussten. Durch Achtsamkeit lässt sich ihnen auf die Spur kommen.

Warum Kalorienzählen nicht die Lösung sein kann

Viel Obst und Gemüse, Vollkornprodukte, wenig Fleisch, Alkohol, Fett und raffinierter Zucker, viel Wasser und Tee. Viele von uns sind bestens informiert über gesunde Ernährung. Theoretisch wissen wir, wie wir für immer schlank bleiben können. Doch in schwachen Momenten muss es doch wieder die ganze Packung Schokokekse sein. Oder der allabendliche Nachschlag, weil’s so lecker ist. Oder der Kuchen, der uns im Büro über das Nachmittagstief retten soll. Allein mit Wissen, Vernunft und Ernährungsplänen lassen sich die Gewichtsprobleme vieler Menschen also nicht dauerhaft lösen. Genau wie Abnehm-Pulver oder Schlank-Tabletten, Fitnessprogramme und Kalorien-Konzepte basieren diese Diät-Versuche auf Reglementierungen von außen, die auf Dauer kaum jemand durchhält. Vernunftessen ist nicht nur zum Scheitern verdammt und vergrößert den Figurfrust. Schlimmer noch: All diese verführerischen Angebote einer ganzen Industrie führen uns weg von der Aufgabe, auf die uns unser Körperumfang oder unser Essdrang so überdeutlich hinweist!

Wenn wir mehr Nahrung zu uns nehmen, als wir brauchen, hungern wir offensichtlich nach etwas anderem. „Kalorienzählen ist nicht die Antwort, denn Essen ist nicht das Problem“, weiß Anita Johnston, die mit ihrem Buch „Die Frau, die im Mondlicht aß“ Betroffene inspiriert.

Emotionales Essen weist auf seelische Nöte hin

Unser Äußeres bzw. unser gestörtes Essverhalten ist nämlich nur ein Symbol dafür, dass in unserem Inneren etwas im Argen liegt. „Emotionales Essen ist nicht die Folge mangelnden Wissens über Ernährung. Es ist ein Hilferuf der Seele“, schreibt auch Maria Sanchez in ihrem Buch „Der innere Weg“. Und ebenso ist ein gesundes Gewicht nicht Ergebnis von eiserner Disziplin, Kalorienzählen und Fitnesswahn. Es ist das Resultat eines liebevollen und achtsamen Umgang mit sich selbst. Um emotionales Essen zu heilen, bedarf es keiner Regeln und keiner Wegweiser. Aber einer kleinen Anleitung, der eigenen Ess-Geschichte auf die Spur zu kommen.

Von Verzicht und Kontrolle darfst Du Dich jetzt verabschieden

Wenn Du Dich auf eine Reise zu den Ursachen Deines Essdrangs machst, wirst Du im wahren Wortsinn eine echte Erleichterung verspüren. Auch, weil Du Dich von Verzicht und Kontrolle getrost verabschieden darfst. Klingt zu schön, um wahr zu sein? Einfach wird der Weg, Dein emotionales Essverhalten zu heilen, dennoch nicht sein. Wenn Du aber die Herausforderung annimmst, Dich und Deine Bedürfnisse selbst besser kennenzulernen, wirst Du lebenslang belohnt.

Dein Körper entledigt sich seiner Schutzschicht

Wenn Du nämlich bisher davon überzeugt warst, dass Schlanksein die Quelle eines wortwörtlich unbeschwerten Daseins ist, ist das ein schwerwiegender Irrtum. In Wahrheit ist es genau umgekehrt: Ist die Seele mit sich im Reinen, folgt der Körper in seiner gesunden und natürlichen Form ohne überflüssige Pfunde. Er entledigt sich seiner Schutzschicht und lässt Deiner Persönlichkeit Raum, sich zu entfalten, die in ihrer vollständigen Identität mit all ihren verschütteten Bedürfnissen lange eine Schatten-Existenz führte.

Tieferliegenden Ursachen kannst Du auf die Spur kommen, wenn Du zunächst einen Blick auf Deinen persönlichen Ess-Typen und Deine Trigger wirfst.

Welcher Ess-Typ bist Du?

Emotionales Essen kann unterschiedlich aussehen – ebenso wie die Menschen, die ihre Sehnsüchte versuchen mit Nahrung zu stillen. Nicht jeder emotionale Esser ist adipös: Vielleicht hast Du ein paar Kilos mehr, vielleicht bist Du normalgewichtig oder sogar schlank. Buchautorin Maria Sanchez nennt emotionale Esser ohne offensichtliches Figurproblem „die dünnen Dicken“. 

Schau hier, ob ein oder mehrere der acht Anzeichen auf Dich und Dein regelmäßiges (!) Essverhalten zutrifft. Wohlgemerkt isst jeder Mensch aus einem der folgenden Gründe manchmal mehr als er braucht. Es geht hier darum, ob Du ein Muster erkennst, das emotional geprägt ist und Deinen Alltag bestimmt.

Acht Anzeichen für emotionales Essen

  1. Du isst aus verschiedenen Gründen – physischer Hunger ist nur einer davon.
  2. Du nimmst Dir gerne Nachschlag – weil es so gut schmeckt!
  3. Du weißt gar nicht so recht, wie sich körperlicher Hunger anfühlt. Du isst, wenn Du Appetit hast.
  4. Mit dem Naschen kannst Du erst aufhören, wenn die Packung leer ist – dann hat die liebe Seele Ruh’!
  5. Zusätzlich zu den Mahlzeiten greifst Du ohne Hungergefühl zu gesunden Snacks, um Dir etwas Gutes zu tun.
  6. Du genießt es, wenn sich ein Völlegefühl einstellt und isst am liebsten so lange, bis du keinen Bissen mehr herunterbekommst.
  7. Wenn Essen dargeboten wird, verspürst Du den unmittelbaren Drang zuzugreifen – daher kaufst Du auch keine Süßigkeiten auf Vorrat.
  8. Du isst, weil es Zeit für eine Mahlzeit ist, nicht wenn Du Hunger hast. Essen hilft Dir, Deinen Tag zu strukturieren.

Physischen von emotionalem Hunger unterscheiden

Unser Körper macht es uns eigentlich einfach, die richtige Menge an Nahrung für ein gesundes, zu uns passendes Gewicht zu uns zu nehmen. Wenn wir Hunger haben, sendet er uns eindeutige Impulse, die uns signalisieren, dass er zum reibungslosen Funktionieren neue Nahrung braucht. Zunächst meldet sich der Magen noch zurückhaltend, dann steigert sich der Hunger langsam. Das flaue Gefühl, ein Loch im Magen zu haben, oft in Verbindung mit Magenknurren, zeigt bereits an, dass wir großen Hunger haben. Unsere Laune sinkt in diesen Momenten häufig auf den Tiefpunkt.

Ein emotionaler Essdrang überfällt Dich hingegen plötzlich und ist kaum zu bändigen. Häufig fühlt er sich völlig anders an – wie, das ist individuell verschieden. Spüre doch beim nächsten Mal, wenn Du eine Heißhungerattacke bekommst, in Dich hinein und identifiziere, wo in Deinem Körper das Gefühl sitzt und wie es sich ausdrückt. Überlege, ob akute Ereignisse als Auslöser in Frage kommen: Hattest Du Stress im Büro? Hast Du Dich über Deinen Partner geärgert? Ist Dir einfach nur langweilig?

Auslöser für emotionales Essen

Eigentlich ist Essen nichts anderes als der Stoff, der unseren Organismus am Laufen hält. Emotionen haben in dieser Funktion eigentlich gar nichts verloren, die fügen wir dem Essen nachträglich zu. Und das kann schon sehr früh geschehen. Eine Mutter, die ihrem schreienden Baby immer die Brust gibt ohne andere Bedürfnisse abzuklopfen, verknüpft schon zu Beginn des frisch begonnen Lebens Nahrung mit Trost, Wärme und Zuwendung – während das eigentliche Bedürfnis unerfüllt bleibt.

Das ist ein Beispiel dafür, warum wir auch später zu Essen greifen, wenn wir uns eigentlich nach etwas ganz anderem sehnen. Zum Beispiel nach Aufmerksamkeit oder Liebe. Essen scheint die einfachere Lösung zu sein, denn es ist immer verfügbar und fragt nicht. Es bedient das Loch, das aber eigentlich nicht im Magen, sondern im Herzen gefüllt werden will. So wird Essen zum Ersatz. Für andere Menschen übernimmt ein Zuviel an Fernsehen, Alkohol oder Drogen diese Aufgabe. Die große Gemeinsamkeit: Es betäubt, es lenkt ab, es steht zur Verfügung, wenn wir uns nicht mit unseren eigentlichen Bedürfnissen beschäftigen können oder wollen.

Womit verbindest Du Essen? Deine Antworten auf folgende Fragen können Dir aber helfen, Deinem Verhältnis zur Nahrung auf die Spur zu kommen. Notiere sie!

  1. Welche Rolle spielte das Essen in meiner Kindheit? Gab es gemeinsame Mahlzeiten im Familienkreis und bedeuteten sie mir? Aß ich damals zu viel oder heimlich und wie fühlte ich mich?
  2. In welchen Situationen neige ich dazu, unkontrolliert oder zu viel zu essen? Alleine oder in Gesellschaft? Was fühle ich dabei? Einsamkeit, Langeweile oder beispielsweise Freude, Spaß?
  3. Wenn Du Dir vorstellst, wirklich immer erst Deinen physischen Hunger abzuwarten und beim ersten Sättigungsimpuls aufzuhören zu essen, beunruhigt Dich das? Welche konkreten Gefühle löst dieser Gedanke in dir aus?

Auslöser: Unterdrückte Gefühle

Unsere heutige Zeit ist auf stetige Selbstoptimierung ausgerichtet, unsere Gesellschaft auf Leistung und mentale Stärke. Tiefgang oder Muße lassen wir jedoch sehr wenig Platz in unserem Leben. Der Erwartungsdruck an uns selbst ist oft hoch: Wir wollen Karriere machen, eine perfekte Mutter sein, eine hilfsbereite Freundin, ein fürsorgliches Kind für unsere alternden Eltern. Unter dieser Orientierung aufs Außen leidet oft der Kontakt zu unserer Gefühlswelt. Emotionale Esser sind von dieser oftmals abgeschnitten. Doch Gefühle lassen sich nicht dauerhaft unterdrücken. Ihr Aufbegehren kann sich vielfältig äußern. In psychosomatischen Erkrankungen zum Beispiel. Oder in emotionalem Essen, das dazu dient, innere Konflikte auszubalancieren. Auch, wenn Du Dich also dafür verurteilst, dass Du deshalb zu viel isst, weil Du Dich einfach nicht im Griff hast: Der eigentliche Grund liegt viel tiefer und erfordert eine liebevolle Hinwendung nach innen. Denn solange Du Dich nicht um Deine verschütteten Gefühle kümmerst, werden sie Dich in Form von Essensgelüsten an ihre Existenz erinnern. 

Essen ist nur ein Symbol

„Es gibt keinen Schweinehund in uns, den wir im Zaum halten müssen, sondern innere Spannungen, die unsere Aufmerksamkeit brauchen, unsere Achtung, unseren Respekt. Wenn wir uns im Alltag verlieren, das heißt, unsere seelischen Bedürfnisse zurückstellen, macht uns der unbestechliche emotionale Essdrang darauf aufmerksam“, schreibt Maria Sanchez in ihrem Buch „Sehnsucht und Hunger“.

Die wichtige Erkenntnis lautet also: Nicht das Essen ist die Ursache. Es ist nur ein Symbol. Eigentlich geht es darum, dass Du Dein Inneres sich zeigen möchte. Sobald Du das zulässt, sind keine Speckschichten mehr notwendig. Weder um die Hüften noch auf dem Teller. Denn sobald Du beim Essen die Emotionen aus dem Spiel lässt und Deinem Körper das Regiment überlässt, wird er Deinen Nahrungsbedarf regeln und Dich sogar darauf aufmerksam machen, was er braucht. Dann wiederum zahlt sich Dein Wissen über gesunde Ernährung und Dein freier Wille aus, Deinen Körper mit wichtigen Nährstoffen und frischen Lebensmitteln zu versorgen.

Langsam und bewusst essen

Jeder Mensch isst mal aus Genusserleben heraus oder an Feiertagen mehr als er braucht. Doch ohne Essproblem resultiert daraus kein Gewichtsproblem – diese gelegentlichen Ausnahmen balanciert der Körper aus. Langsam und bewusst ohne Ablenkung durch Fernsehen, Handy oder Zeitschrift zu essen, ist die Voraussetzung dafür, dass wir auf unsere Körpersignale hören und adäquat auf sie reagieren. Nicht strenge Auflagen eines Diätplanes oder Fitnessplans bringen uns unserem gesunden Gewicht näher, sondern ein liebevolles Hinhorchen, gesunde Nahrung und viel Bewegung oder maßvoller Sport, der uns Spaß macht.

Von der Leere zur Lehre

Wenn Du also eine Leere in Deinem Bauch fühlst, die nicht von körperlichem Hunger herrührt, solltest Du Deine Lehren daraus ziehen. Richte Deinen Blick nach innen, reise gedanklich zurück in Deine Kindheit und frage Dich, wo Deine Bedürfnisse übergangen worden sind, auf die Du jetzt als erwachsener Mensch eingehen kannst. Für diese Aufgabe kannst Dir auch psychologische Hilfe holen – denn die Emotionen können tief verschüttet sein.

In der liebevollen und aufmerksamen Begegnung mit Deinem Inneren liegt der Schlüssel zur Heilung von emotionalen Essen. Die Autorin Anita Johnston führt übrigens auch das prämenstruelle Syndrom auf eine mangelnde Innenschau zurück. Wie der Essensimpuls können Stimmungsschwankungen und Schmerzen in den zwei Wochen vor der Menstruation darauf verweisen, dass eine Frau in der zweiten Zyklushälfte zu sehr im Außen lebt, statt sich in dieser sensiblen Phase auf sich und ihre weibliche Natur zu besinnen.

Was Du tun kannst, um Deinen Gefühlen mehr Raum zu geben:

  1. Schreibe am Abend nieder, welche Gefühle Du durchlebt hast und warum. Sobald Du tagsüber emotionalen Hunger spürst, horche in Dich hinein, was in Dir vorgeht und notiere Deine Gedanken. Betrachte sie ohne Wertung.
  2. Lerne Dein inneres Kind kennen. Was hat Dich damals verletzt? Was blieb Dir vergönnt? Erfülle Deine verschütteten Bedürfnisse als reifer Erwachsener mit aller Hingabe.
  3. Übe Dich darin, emotionalen von physischem Hunger zu unterscheiden. Horche in Dich hinein. Wenn Du emotionalen Hunger identifizierst, frage Dich, wonach Du hungerst.

Verleihe Deiner Persönlichkeit Ausdruck!

Der Zwang, mit Essen Deine Gefühle zu unterdrücken, wird dann nachlassen, wenn Dir nicht mit Deiner Figur, sondern auf andere Weise „Raum gibst“. Probiere Dinge aus, die Deiner Kreativität oder Deiner Persönlichkeit Ausdruck verleihen: Mache einen Foto- oder Malkurs, melde Dich zum Stepptanz an, lasse Dich durch Ausstellungen und Theatervorstellungen inspirieren. Sobald Du Dir selbst mehr Raum gibst, wirst Du Essen nicht mehr als Ersatz missbrauchen. Trau Dich, es loszulassen, und sei neugierig, wie es Dir mit weniger Nahrung geht. Sobald Du nach einer halben Stunde noch körperlichen Hunger verspürst, kannst Du ihn ja jederzeit stillen!

Neue Wege beschreiten

Überprüfe auch Deine Gewohnheiten. Im Alltag folgen wir häufig automatisierten Abläufen. Dann essen wir womöglich zwei Scheiben Brot, weil das einfach immer schon so war – obwohl unser Körper nur eine bräuchte. Probiere doch einfach mal andere Rezepte für ein gesundes Frühstück wie Overnight Oats aus und höre auf die Sättigungssignale Deines Körpers.

Kaufe Dir Deine Lieblingssüßigkeiten und verbiete sie Dir nicht länger. Du wirst sie nicht mehr packungsweise verzehren wollen, ein sehr befreiendes Gefühl. Nicht über Nacht, aber nach Deinem persönlichen Weg der Gesundung, wirst Du ein Gewicht erreichen, das zu Deiner Persönlichkeit und Deinem Körper passt – und nicht in eine Tabelle.

Die besten Bücher, die Dich zu einem tieferen Verständnis für Dein Essverhalten führen:

Anita Johnston: „Die Frau, die im Mondlicht aß“

Maria Sanchez: „Sehnsucht und Hunger“

Maria Sanchez: „Der innere Weg“

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