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Weißmehl und Gluten: Wie gesund ist Getreide?

glutenunverträglichkeit

Brot, Gebäck, Müsli, Nudeln – die klassische, westliche Ernährung steckt voll Getreide. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich esse Weizen, Roggen und Co. mit gemischten Gefühlen. Das hat nichts mit Geschmack zu tun, ich liebe Käsebrötchen und bin in einem Haushalt groß geworden, in dem Kuchen fast jeden Tag auf dem Kaffeetisch stand. Nein, mein ambivalentes Getreidegefühl resultiert aus zwei in Ernährungskreisen herrschenden konträren Überzeugungen: Während die einen in Getreide und Glutenunverträglichkeit die Ursache vieler Krankheiten sehen, sagen die anderen, Getreide würde Krankheiten vorbeugen. Wer hat Recht? Dieser Frage gehe ich hier auf den Grund, um für mich zu einer Schlussfolgerung zu kommen. Begleitet mich doch bitte dabei!

Weißmehl belastet die Verdauung und entzieht Nährstoffe

Beginnen wir mit einer unstrittigen Wahrheit, bei der sich alle Ernährungsforscher einig sind (nachher bei Gluten wird es noch verwirrend genug): Weißmehl ist Mist für den Körper, weil es den Nährstoffhaushalt aus dem Gleichgewicht bringen kann und unser Verdauungssystem stark belastet. Weißmehl, das ist das helle Mehl, das leider Gottes alles dominiert, aus ihm sind beispielsweise Laugenbrötchen, Croissants, Baguettes sowie die meisten Nudeln und Pizzen gemacht. Es wird auch Auszugsmehl genannt, weil es nur einen Auszug des Getreidekorns beinhaltet. Und wie ihr euch denken könnt, keinen guten Auszug, sondern den Mehlkörper, also isolierte Kohlenhydrate ohne Nährstoffe. Die beiden anderen, mineralien- und ballststoffreichen Anteile des Korns – Kleie und Keim – werden bei der Verarbeitung herausgefiltert, um die Haltbarkeit des Mehls zu erhöhen, da der ranzige Ölkorn entfällt. Zudem lässt sich weißes Mehl schneller verarbeiten (mehr dazu hier). Als unsere Vorfahren vor etwa 300 Jahren die neue Technik entwickelten, wussten sie natürlich nicht, was das zur Folge hatte – nämlich, dass sie dem Mehl alle wertvollen Nährstoffe raubten, im Gegenteil, das weiße Mehl galt als schick, war teurer und der reichen Schicht vorbehalten. (Ebenso wie Zucker ja anfangs nur was für Reiche war und Karies deshalb eine Oberschichtenkrankheit.) Doch nicht nur, dass Weißmehl nichts Wertvolles beisteuert, es ist sogar ein Vitalstoffräuber, wie es manche nennen, weil es dem Körper Nährstoffe entzieht. Da es zum größten Teil aus Stärke besteht, baut unser Körper diese schnell in Zucker ab und benötigt für diesen Prozess Energie in Form von Nährstoffen. Da das Weißmehl selbst keine enthält, kratzt unser System sie sich von anderer Stelle her zusammen (vgl. z.B. Dr. Bruker, „Unsere Nahrung, unser Schicksal“). Die so entstehende Glukose geht rasant ins Blut über, was den Blutzuckerspiegel schnell steigen und wieder runter crashen lässt – deshalb sind wir nach einem Laugenbrötchen oder Croissant schnell wieder hungrig, was verkürzt gesagt, wiederum dazu führt, dass wir in Summe mehr Kalorien zu uns nehmen und dick werden.

vollkornmehl3-5 Portionen Vollkorn täglich optimal

Gut, dann eben keine Croissants und Butterkekse mehr, sondern her mit Vollkorn, denkt man sich. Vollkornmehl enthält alle drei Bestandteile eines Getreidekorns: Die mehrschichtige Außenhaut (Kleie genannt), den Keimling und den Mehlkörper – und damit einen Haufen Ballaststoffe, Antioxidantien, Eisen, Zink, Kupfer, Magnesium, B-Vitamine, ungesättigte Fette, Vitamine, Mineralien und Phytonährstoffe. Deshalb empfehlen die deutsche Gesellschaft für Ernährung ebenso wie das europäische Food Council, drei bis fünf Portionen Vollkorn täglich zu konsumieren.

Gesundheitsfördernde Wirkungen von Vollkorn:

  • Vollkorn wirkt positiv bei bestimmten Krebsarten, Diabetes Typ 2, Verdauungsproblemen sowie der Gewichtsregulierung.
  • Vollkorn wirkt positiv auf das Herz: Personen mit einer Vollkornzufuhr von mind. drei Portionen täglich weisen ein um 20-30% verringertes Risiko für Herz-Kreislaufprobleme auf gegenüber Personen mit einem niedrigeren Vollkornverzehr. Diese Schutzwirkung ist sogar größer als der Effekt von Obst und Gemüse (hier).
  • Vollkorn-Kost soll insgesamt das Leben verlängern (Harvard School of public health)

Ziemlich überzeugende Argumente, oder?

Verliert Vollkorn durch Oxidation seine Vorteile?

Allerdings bleibt eine Frage bei mir offen: Manche Stimmen behaupten, dass Vollkorn durch Oxidation (also an der Luft) recht fix seine Nährstoffe verliert und damit auf dem Nährstoffniveau von Weißmehl landet. Das wäre ja dann bei allem Brot der Fall, das ich nicht sofort frisch aus dem Ofen verzehre. Falls jemand sich dazu äußern kann oder einen Gedanken hat, der uns weiterbringt, schreibe das doch bitte in die Kommentare. Finde ich einen sehr interessanten Aspekt.

glutenfrei

4 goldene Regeln zum Brot-Verzehr

Lasst uns ein kleines Zwischenfazit ziehen. Weißmehl ist ungesund, Vollkorn gesünder. Zusammengefasst solltest Du beim Brot-Kauf und der Zubereitung auf diese Dinge achten, damit Du Brot optimal verwerten kannst:

  1. Aufs Etikett achten: 100% Vollkorn muss drauf stehen. Denn gemeinerweise ist nicht alles, was dunkel ist, wirklich aus vollem Korn. Um uns Gesundheit vorzugaukeln, mischen die Hersteller dem Teig Zuckerkulör bei, so dass Weißmehlbrot dunkel wird und viele Verbraucher auf den Trick hereinfallen und denken, sie würden gesundes Vollkornbrot essen. Ihr müsst also darauf achten, dass drauf steht: 100% Vollkorn oder aus vollem Korn. Alles andere ist angemaltes Weißmehl. Das Schaf im Wolfspelz sozusagen 🙂
  2. Sauerteig-Brot kaufen: Viele Menschen bekommen durch die in den meisten Brotsorten als Triebmittel eingesetzte Hefe Verdauungsprobleme, ihr Job ist es, dafür zu sorgen, dass das Brot schneller aufgeht. Sauerteig dagegen entspricht der traditionellen Brotbackmethode (mehr dazu z.B. hier) und gibt dem Brot wesentlich mehr Zeit aufzugehen. Bei einigen Bäckereien (z.B. Bäckerei von Allwörden) gibt es bereits Vollkornbrötchen mit Sauerteig.
  3. Brot toasten oder im Ofen aufbacken, denn so kann unsere Verdauung das Brot besser verwerten (mehr dazu hier).
  4. Brot nicht zu oft essen. Wer sich einseitig von Brot bzw. Getreide ernährt, vernachlässigt automatisch Obst und Gemüse – achte also auf einen bunten Teller und vermeide, dass Du nur „beige“ isst.So, ihr Lieben, könnt ihr noch? Prima. Denn jetzt geht es erst ans Eingemachte, nämlich an ein nicht nur in Ernährungskreisen extrem kontrovers diskutiertes Thema. Die Rede ist von: Gluten.

Gluten ungesund – und wenn ja, für wen?

Was ist Gluten überhaupt? Ein Protein oder Klebereiweiß, das in vielen Getreidesorten – nicht nur in Weizen, auch z.B. in Dinkel, Emmer, Kamut, Roggen, Gerste – sowie aufgrund seiner bindenden Eigenschaften auch in vielen industriell erstellten Produkten, z.B. Eis, Sojasauce oder Medikamenten enthalten ist. Wie auch beim Zucker jubelt uns die Lebensmittelindustrie mal wieder was unter, was wir eigentlich gar nicht wollen und macht es daher für Menschen mit Unverträglichkeiten umso schwerer, ihr Teufelchen zu vermeiden.

Ist Gluten ungesund oder nicht? Vor einigen Jahren sorgten recht reißerisch geschriebene Bücher wie „Die Weizenwampe“ und „Dumm wie Brot“ für eine Verteuflung von Weizen und Gluten. Die Bücher stehen heute in der Kritik, weil die Autoren z.T. falsche Rückschlüsse aus Studienergebnissen gezogen haben sollen. Doch die Bücher landeten auf der Bestsellerliste und traten eine Welle von Gluten- und Weizen-Angst los. Immer mehr Hersteller verpassen ihren Produkten heute den Stempel „glutenfrei“ und geben manchem Verbraucher damit ein gutes Gefühl, ohne dass dieser genau weiß, ob er Gluten wirklich nicht vertragen kann. Wie verbreitet soll denn Glutenunverträglichkeit sein?

gluten-vollkorn

Glutenunverträglichkeit: Wie viele sind betroffen?

  • Sicher ist, dass rund 1 % der Bevölkerung an der Autoimmunkrankheit Zöliakie leiden. Schon ein Fünkchen Gluten löst bei ihnen starke Magen-Darm-Beschwerden aus, weil sich ihre Darmschleimhaut entzündet. Diese Störung kann viele Folgeerkrankungen nach sich ziehen wie Migräne, Oesteoporose, Muskelschwäche, Asthma, Gelenkschmerzen, Ekzeme, Reizdarmsyndrom (leaky gut), Heuschnupfen, vernebelte Wahrnehmung, Müdigkeit und Unfruchtbarkeit. Durch die diffusen Symptome bleibt Zöliakie oft lange unerkannt.
  • Doch das Problem ist nicht allein die Zöliakie, darüber hinaus leidet eine unbekannte, aber scheinbar wachsende Anzahl von Menschen an einer Weizen/Gluten-Sensibilität. Diese Menschen weisen klinisch keine Allergie auf, entwickeln aber in geringerem Maße trotzdem Unverträglichkeitssymptome. Warum diese zunimmt, darüber herrscht noch keine Einigkeit. Manche gehen davon aus, dass es an der Überzüchtung des Weizens liegt, der heute um ein Vielfaches mehr Gluten enthält als vor 50 Jahren und immer schneller mehr Profit abwerfen muss. Neue Studien deuten daraufhin, dass die Unverträglichkeit gar nicht Gluten als Übeltäter hat, sondern in Wahrheit sogenannte ATI dahinterstecken: Amylase-Trypsin-Inhibitoren, Proteine, die das Getreide vor Schädlingen schützen (Die ZEIT).

Dann gibt es aber noch wieder andere, die überzeugt sind, Gluten ist per se schlecht. Und zwar nicht wenige Ernährungsexperten und Ärzte. Der vielleicht führende Zöliakie- und Gluten-Experte Dr. Alessio Fasano sagt, Menschen können Gluten einfach nicht verdauen und bekämen von hohem Getreidekonsum zwangsläufig Probleme. In seinem Buch „Die ganze Wahrheit über Gluten“ geht er den Unterschieden von Weizenallergie, -sensibilität, Glutenunverträglichkeit auf den Grund und gibt Empfehlungen für eine gesunde Diät. Er setzt sich damit differenzierter auseinander als die weiter oben aufgeführten Bestellerautoren. Darüber hinaus begegne ich in Ernährungsforen, auf Blogs und in den Kommentaren zu Artikeln über Gluten & Co. immer wieder haufenweise Menschen, die ihre persönliche Leidensgeschichte schildern – diffuse Symptome von Heuschnupfen und Schuppenflechte bis zu ständigem Blähbauch, die allesamt mit einem Gluten- und/oder Weizenverzicht plötzlich verschwanden. Und auch viele Menschen, die sich seriös mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen, stehen Gluten kritisch gegenüber. Die berühmte britische Ernährungsberaterin Amelia Freer, die das wunderbare Buch „Glow – gut essen, glücklich leben“ geschrieben hat, ehemalige Beraterin von Prince Charles und deren Kundenliste mittlerweile so lang ist, dass sie eine niemanden mehr aufnimmt, sagt, Glutenverzicht sei die beste Entscheidung, die sie je getroffen habe. Sie fühle sich damit besser als sie es je für möglich gehalten hätte. Und das sagt eine Frau, die weder Zucker noch Milchprodukte zu sich nimmt! Sie schreibt auch – und das finde ich sehr interessant – dass es „im Schnitt 17 Jahre dauert, bis wissenschaftliche Erkenntnisse in der Schulmedizin ankommen. Und gerade im Bereich Ernährung werden viele Theorien verspottet bis eine überwältigende Beweislast vom Gegenteil überzeugt.“

Mein Fazit: Vollkorn gesund – Gluten ungesund?

Puh, diese ganzen Studien und Artikel können einem den Kopf vernebeln. Die gute Nachricht ist sicherlich, dass sich viele Studien mit dem Gebiet beschäftigen und wir in wenigen Jahren noch schlauer dazu geworden sein werden. Aber bis dahin – sollte ich Gluten meiden, auch wenn ich keine Unverträglichkeit habe oder zumindest die Menge an Gluten reduzieren? Oder sollte ich auf gut verarbeitetes Vollkorn setzen?

Natürlich muss das jeder für sich entscheiden und auf die Signale seines Körpers hören. Ich für mich habe vor etwa einem Jahr meinen Brotkonsum zusammen mit meinem Kaffee- und Zuckerkonsum stark eingeschränkt und habe seitdem meine lebenslangen Kopfschmerzen loswerden können. Da ich aber vieles auf einmal geändert habe, kann ich nicht zuordnen, was für die Kopfschmerzen verantwortlich war. Sicher bin ich mir, dass Weißmehl meinen Bauch zu einem Ballon macht und ich schlanker und energiegeladener bin, wenn ich den Getreideanteil auf meinem Teller reduziere und mit Obst/Gemüse ersetze. Ein kompletter Verzicht auf Gluten wäre sicherlich interessant, denn die vielen Schilderungen von Menschen, die sich seitdem so viel besser fühlen, sind aus meiner Sicht kaum Hirngespinste – egal ob diese Verbesserung nun wirklich am Verzicht auf Gluten oder an den ATIs oder noch nicht entdeckten anderen Verbindungen liegt.

Ich bleib dran am Thema.

Wie macht ihr das so – verzichtet ihr auf Weißmehl, Brot – Gluten?

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