Ernährung als Medizin
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Interview: Mit der richtigen Ernährung rheumatoide Arthritis heilen

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Petra ist Anfang 40, als sie das erste Mal Schmerzen in Fingern, Schultern und Füßen verspürt. Bis dahin kerngesund, erlebt die Schweizerin nun Phasen, in denen sie von seltsamen Schmerzschüben heimgesucht wird, die durch ihren Körper fahren. Bald hat Petra ein steifes Knie. Sie, die Skifahren liebt und Klettern in den Bergen, kann kaum mehr gehen oder einen Apfel schälen. Schlafen? Nur noch mit Schmerzmitteln. Die Diagnose lautet rheumatoide Arthritis, die Therapie: starke Medikamente. Doch Petra recherchiert und entdeckt eine entzündungshemmende Ernährungsweise, die bei ihrer Krankheit helfen soll. Sie lernt, liest, probiert und ist heute, vier Jahre nach der Diagnose, schmerzmittelfrei. Über ihren Blog freakfood sowie die von ihr gegründete Organisation Food Movement möchte sie andere kranke, aber auch gesunde Menschen sowie Ärzte auf die gesundheitsfördernden Effekte einer gesunden Ernährung aufmerksam machen. Im food4spirit-Interview berichtet Petra von ihrer Heilung durch Ernährung, welche Lebensmittel Entzündungen fördern und warum sie heute glücklicher ist als vor ihrer Krankheit.

Petra, wann kamen Dir Zweifel, dass die schulmedizinische Lösung nicht die beste oder einzige Hilfe für Dich sein kann?

Petra: „Das war mir schon von Beginn weg klar, denn ich hatte, seit ich 20 Jahre alt bin, immer homöopathisch behandelnde Hausärzte. Schulmedizinischen Medikamenten begegne ich mit größter Skepsis. Als ich dann keine Linderung meiner Rheumaschmerzen erfuhr, konnte ich gar nicht anders, als nach weiteren Möglichkeiten zu recherchieren.“

Gab es eine Begebenheit mit der Schulmedizin, die Dich im Nachhinein, mit Deinem Wissen heute, irritiert?

„Eher eine Grundsituation. In der schulmedizinischen Ausbildung lernen Ärzte heute praktisch gar nichts über die Wichtigkeit einer gesunden Ernährung. Deshalb ist es eines der Ziele von Food Movement, diesen Zustand langfristig zu ändern – vielleicht ist es in 20 Jahren etwas anders?“

Wie bist Du auf die entzündungshemmende Ernährung aufmerksam geworden, woher hast Du Dir das Wissen angeeignet?

„Ohne das Internet hätte ich nie so viele spannende Hinweise gefunden. Ich bin dankbar, dass ich genügend Englisch kann, denn im deutschsprachigen Raum wurde ich kaum fündig. Meine Bibliothek an Sachbüchern ist immens gewachsen. Außerdem bin ich froh, dass es andere Menschen gibt, die auf ihren Blogs über ihre positiven Erfahrungen mit einer anti-entzündlichen Ernährung berichten.“

rezept rheumatoide arthritisWie sieht eine entzündungshemmende Ernährung aus, was wird eliminiert?

„Nach einer mehrmonatigen Ausschlussdiät, die ich auf eigene Faust durchgeführt habe, verzichte ich auf Zucker, Weizen, Roggen, Milchprodukte, Fleisch, Eier, Mais, Nachtschattengewächse (Kartoffeln, Auberginen, Paprika) und bestimmte Öle. Zu Beginn verzichtete ich auch auf Zitrusfrüchte und Pfirsiche, seit letztem Sommer vertrage ich die aber wieder. Ich kriege nach einer Stunde starke Gelenkschmerzen, wenn ich etwas esse, das bei mir Entzündungen triggert – ein klares Zeichen meines Körpers. Nach 24 Stunden verschwinden diese Schmerzen glücklicherweise wieder.“

Ausschlussdiät: Diät, in der man für einen bestimmten Zeitraum zahlreiche Lebensmittel von seiner Ernährung ausschließt und dann ein Lebensmittel nach dem anderen einzeln wieder einführt, um zu beobachten, was für Reaktionen passieren.

Gibt es etwas, was Du Menschen mit auf den Weg geben möchtest, die unter entzündlichem Rheuma leiden?

„Es lohnt sich mit größter Wahrscheinlichkeit, die stärksten Entzündungstrigger wie Zucker, Weizen, Roggen und Milchprodukte für ein Weilchen zu meiden und zu beobachten, wie es einem dabei geht. Zudem kann ich empfehlen, regelmäßig für Entspannung zu sorgen (z B. durch Meditation oder Autogenes Training) sowie sich täglich mindestens 30 Minuten zu bewegen.“

Was hat sich seit Deiner Ernährungsumstellung alles verändert – welche körperlichen Veränderungen machten sich bemerkbar und was veränderte sich vielleicht sonst in Deinem Leben?

„Meine Essensgewohnheiten haben sich grundlegend verändert. Ich habe Linsen und Bohnen für mich entdeckt, ich liebe sie beide heiß. Außerdem wurde meine Palette an Gerichten bunter und reicher als vor meiner Diagnose. Ich esse viel weniger einfache Kohlenhydrate. Brot esse ich nur noch ein bis zwei Mal pro Monat (Dinkel-Sauerteigbrot), Reis und Pasta gar nicht mehr. Durch meine Meditationsübungen, Gedanken der Dankbarkeit und die tägliche Bewegung geht es mir mental besser als früher, ich bin viel glücklicher. Grundsätzlich hat sich meine Lebensqualität trotz der Krankheit verbessert.“

Was ist für Dich heute die größte Herausforderung der entzündungshemmenden Ernährungsweise?

„Eingeladen werden und auswärts essen. Mein Blog heißt nicht umsonst Freakfood: Ich fühle mich kulinarisch wie ein Freak. Ohne vorherige Recherchen kann ich nicht auswärts essen. Das bedingt, dass ich mir mein Essen vorbereiten muss, wenn ich extern arbeite oder auf Reisen bin. Aber da es mir mit meiner persönlichen Ernährung so viel besser geht, nehme ich den Aufwand in Kauf.“

Was bedeutet für Dich Gesundheit heute?

„Große Dankbarkeit, dass es mir so gut geht, und dass der Verlauf meiner Genesung grundsätzlich positiv, wenn auch langsam, verläuft.“

Vor einem Jahr hast Du mit einem Mediziner und einer angehenden Naturheilpraktikerin die Organisation Food Movement gegründet, deren Ziel es ist, auf Ernährungsweisen aufmerksam zu machen, die Krankheiten lindern können und Patienten zur Selbstbestimmung zu ermuntern. Ob Migräne, Rheuma, Multiple Sklerose oder ADS – Food Movement ist überzeugt, dass gesunde Ernährung die schulmedizinische Behandlung unterstützen kann. Die Seite richtet sich nicht nur an Patienten, sondern auch an Mediziner, die hier über die gesundheitlichen Effekte von Ernährung lernen können. Wenn Du Dir Eure Organisation in zehn Jahren vorstellst – was ist Deine Vision?

Gute Frage! Ich hoffe, dass wir bis in 10 Jahren so viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit geleistet haben, dass viele Ärzte chronisch kranke Patientinnen und Patienten in einer Ernährungsberatung schicken.

Was ist heute Dein Lieblingsgericht?

„Weiße Bohnen und Süßkartoffeln mit Palmkohl, gerne mit einem Tahini-Zitronen-Kurkuma-Dressing.“

Gibt es einen gesunden Snack oder ein gesundes Dessert, das entzündungshemmende Wirkung hat – oder sind süße Snacks per se eher entzündungsfördernd?

„Sofern die Süße nicht von raffiniertem Zucker oder Agavensirup und dergleichen kommt, kann Süßes durchaus gesund sein. All meine süßen Rezepte auf meinem Blog sind grundsätzlich entzündungshemmend, sogar die rohen Schokoladen-Brownies!“

Gibt es einen Koch oder eine Köchin, die Dich besonders inspiriert?

„Amy Chaplin, Anna Jones und Sarah Britton inspirieren mich immer wieder.“

Mit wem würdest Du gern mal gemeinsam zu Abend essen – und worüber würdet ihr euch unterhalten?

„Mit meinem Rheumatologen, der mir dringend Methotrexat spritzen wollte – aber erst, wenn auch mein Handgelenk wieder ganz gesund ist. Wir würden uns natürlich über die Wirkung einer entzündungshemmenden Ernährung, aber auch Entspannung und Bewegung für Rheumakranke unterhalten. Und über die Grenzen der Schulmedizin.“

Liebe Petra, ich wünsche Dir alles Gute und bedanke mich sehr für das Gespräch.

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