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Pilgern für Anfänger: Die 20 wichtigsten Fragen zum Jakobsweg

Pilgern für Anfänger

Im vergangenen Sommer bin ich ein Stück auf dem portugiesischen Jakobsweg gepilgert. Von Porto bis Santiago de Compostela. Es waren wunderschöne zwei Wochen, voller neuer Erfahrungen und interessanter Begegnungen. In diesem Artikel habe ich die für mich wichtigsten Informationen rund um das Pilgern für Anfänger zusammengestellt. Vielleicht kann ich Dich damit bei Deinen Jakobsweg-Vorbereitungen unterstützen. Meine Jakobsweg-Packliste mit speziellen low budget-Tipps findest Du übrigens hier.

Die wichtigsten Fragen von Neu-Pilgern

  1. Der Pilgerpass
  2. Die beste Pilgerzeit
  3. Der richtige Jakobsweg für Dich?
  4. Was kostet die Pilgerreise?
  5. Was Du einpacken solltest
  6. Die besten Schuhe fürs Pilgern
  7. Kann ich den Jakobsweg als Frau allein gehen?
  8. Kann ich mich dort verlaufen?
  9. Wie voll ist es auf dem Jakobsweg?
  10. Was hat es mit der Jakobsmuschel auf sich?
  11. Welche Übernachtungsmöglichkeiten gibt es?
  12. Brauche ich einen Reiseführer?
  13. Muss ich vorher probewandern?
  14. Was esse ich unterwegs?
  15. Wo finde ich noch mehr Infos zum Pilgern?
  16. Was passiert „spirituell“ auf dem Weg?
  17. Soll ich allein pilgern?
  18. Finde Dein Tempo
  19. Führe Tagebuch
  20. Nicht zu viel planen – los pilgern!

Brauche ich einen Pilgerpass?

Du brauchst zum Pilgern auf dem Jakobsweg einen Pilgerpass. Das ist ein kleines aufklappbares Büchlein, das Dich als Pilger ausweist und Dir die Übernachtung in den günstigen Pilgerherbergen ermöglicht. Zudem sammelst Du darin Stempel von Cafés, Restaurants und Herbergen, die Du entlang des Wegs besucht hast. Er ist nicht nur ein schönes Erinnerungsstück, sondern ist vor allem Dein Beleg für La Compostela, die Pilgerurkunde, die Dir in Santiago nur dann ausgestellt wird, wenn Du mindestens zwei Stempel pro Tag auf den letzten 100 Kilometern aufweisen kannst. Den Pilgerpass kannst Du zwar auch auf den letzten Drücker vor Ort bekommen, entspannter ist es, wenn Du ihn Dir übers Internet bestellst (Kosten ca. 5€), z.B. hier oder hier.

Wann ist die beste Pilgerzeit?

Alle Reiseführer warnen vor den Sommermonaten Juli und August. Zu heiß, zu voll. Mai, Juni und September werden als gute Zeiten empfohlen. Ich persönlich war im Juni auf dem portugiesischen Weg unterwegs und hatte sehr heiße, aber auch moderate Temperaturen. An heißen Tagen mit bis zu 36 Grad solltest Du viele Pausen machen, generell weniger Kilometer einplanen und natürlich viel trinken.

Welcher Weg ist der Richtige für Dich?

Das hängt vor allem von der Dir zur Verfügung stehenden Zeit ab. Generell wird gesagt, dass sich für ungeübte Einsteiger der portugiesische Jakobsweg zwischen Porto und Santiago besonders eignet, da er mit 230 Kilometern recht kurz ist und keine großen Höhenunterschiede aufweist. Kann  ich absolut bestätigen. Wenn man einigermaßen körperlich in Form ist, stellt der Weg kein Problem dar.

Was kostet die Pilgerreise?

Die Kosten variieren je nachdem, ob ihr in den günstigen Pilgerherbergen übernachtet (6€) oder euch ab und zu mal eine private Unterkunft gönnt (ca. 15-25€). Verpflegung lässt sich entweder im Rucksack mitführen oder in Cafés und Restaurants entlang des Wegs zu sich nehmen. Die Preise sind, besonders für Pilger, eher günstig. Hinzukommen Flugkosten sowie Kosten für die Trekking- oder Wanderausrüstung, also Schuhe, Socken, Klamotten, Rucksack etc.

Was soll ich einpacken?

So wenig wie möglich. Das Gewicht des Wanderrucksacks sollte insgesamt nicht mehr als 10% des eigenen Körpergewichts ausmachen. Beim Kauf des Rucksacks auf ein geringes Eigengewicht achten. Im Sommer reichen zum Pilgern schon wenige Kleidungsstücke, z.B. 3-4 T-Shirts, 3 Hosen und 1 lange Jacke. In vielen Herbergen gibt es Waschmaschinen und Trockner, so dass man die Kleidung abends waschen und schnell wieder anziehen kann. Im Winter oder kühleren Jahreszeiten muss man entsprechend natürlich mehr warme Kleidungsstücke einplanen.

Welche Schuhe sind die besten beim Pilgern für Anfänger?

Über diesen Punkt könnte ich ein Buch verfassen. Er ist aber auch einfach super wichtig, denn wer unter Blasen oder Zerrungen leidet, steht vielleicht bald vor der Entscheidung, den Weg abzubrechen oder zumindest zu pausieren. Abends in den Pilgerherbergen spielen sich oft schmerzhafte Szenen ab, autsch! Wer das nicht erleiden will, sollte in ein Paar guter Wanderstiefel investieren. Ich war auf meinem Weg wirklich die einzige, die keine Blasen bekommen hat. Meine Füße sahen abends aus wie neu, wenn ich sie aus den Stiefeln zog, was immer in einem neidischen Seufzer meiner Mit-Pilgerin resultierte. Ich hatte noch nicht mal eine Druckstelle. Kein Witz. Daher kann ich euch besten Gewissens meine Super Meindl-Wanderstiefel ans Herz legen: Die Meindl Jersey Pro.

Der Preis ist aus meiner Sicht voll gerechtfertigt, die Stiefel hat man sicher ein Leben lang so wie die verarbeitet sind. An dieser Stelle jedenfalls nochmal ein herzliches Danke an die feinen Damen und Herren von Meindl, die solche Super-Schuhe herstellen.

Noch ein paar Tipps zum Schuhkauf: Die Schuhe sollten den Knöchel stützen und Halt bieten, also halbhoch sein, möglichst wasserfest (auch wenn sie dadurch schwerer werden) und natürlich perfekt passen. Kauft die Stiefel anderthalb bis zwei Nummern zu groß, denn die Füße schwellen an und die dicken Wandersocken brauchen Platz. À propos Socken: Die besten Schuhe nützen nichts ohne die richtigen Socken. Du brauchst definitiv dicke Trekkingsocken. Ist zwar warm am Fuß, aber geht nicht anders. Viele Pilger tragen zu dünne Socken, die durch den Schweiß nass werden und so Reibung und Blasen entstehen. Ich kann diese Socken empfehlen, die ich übrigens jetzt auch zuhause im Winter dauernd anhatte, weil sie so schön warm sind. Im Sommer dagegen sollen sie die Füße eher kühlen und saugen den Schweiß tiptop auf: Das sind meine Lieblingssocken von Falke.

Kann ich den Jakobsweg als Frau allein gehen?

Viele Frauen gehen die Jakobswege allein und fühlen sich dabei sicher und rundum wohl. Wer sich dabei einmal unsicher fühlt und sich für bestimmte Streckenabschnitte, die z.B. längere Zeit durch einsame Wälder führen, Gesellschaft wünscht, bekommt diese in der Regel sehr schnell. Denn wer nicht allein gehen möchte, findet immer gleichgesinnte Mitpilger.

Kann ich mich auf dem Weg verlaufen?

Sicher nicht. Die Jakobswege in Portugal und Spanien sind in der Regel sehr gut markiert. Alle paar Meter ein gelber Pfeil oder die Jakobsmuschel auf der Straße oder an einer Häuserwand, die Dir den Weg zeigen.

Was hat es mit der Jakobsmuschel auf sich?

Die meisten Pilger tragen an ihrem Rucksack eine Jakobsmuschel, das Symbol des Jakobus, Patrons der Pilger. Die Muschel bekommst Du haufenweise vor Ort. Früher eignete sich die Muschel für Pilger, weil sie die perfekte Form hat, mit ihr auch aus flachen Pfützen Trinkwasser zu schöpfen. Keine Sorge, Du musst heute keine Pfütze mehr trinken, es gibt alle paar Kilometer aus dem Stein kommende Wasserquellen.

Wie voll ist der Jakobsweg?

Hape Kerkelings „Ich bin dann mal weg – Pilgern für Anfänger“ (das übrigens eine tolle Lektüre zur Einstimmung und wahnsinnig lustig ist) hat einen wahren Pilgerboom ausgelöst. Kerkeling ist den bekanntesten Weg gegangen, den Camino Frances. Wer es ruhiger mag, entscheidet sich vielleicht lieber für den Caminho Portugues – wobei auch hier manche behaupten, er wäre im Sommer recht voll. Allerdings ist das Empfinden bei so etwas eine subjektive Angelegenheit, Betten in den Herbergen sind hier z.B. ohne Reservierung zu finden, Engpässe entstehen eher nicht.

Welche Übernachtungsmöglichkeiten gibt es?

Grundsätzlich gibt es drei verschiedene Übernachtungsmöglichkeiten: Klassische Pilgerherbergen, private Gasthäuser, normale Pensionen.

In den Herbergen kannst Du mit dem Pilgerausweis für sechs Euro in einem Schlafsaal nächtigen. Ja, manchmal muss man Schnarcher ertragen, in aller Herrgottsfrüh wird man durch die allgemeine Aufbruchsstimmung geweckt und um 22 Uhr ist wie früher auf Klassenreise Licht aus. Die Herbergen sind aber in der Regel sauber und schön gestaltet.

Die zweite Option sind private Gasthäuser, sogenannte Family houses, die nicht nur auf den klassischen Etappenzielen liegen, sondern irgendwo dazwischen. Auf dem portugiesischen Weg sind besonders die Casa Fernanda und die Quinta Romana Estrada zu empfehlen.

Eine Pension bietet sich an, wenn Du mal etwas Privatsphäre haben möchtest. Es fehlt das übliche Pilgerflair, aber ab und zu vielleicht ganz gut, wenn man einfach mal allein sein muss.

Brauche ich einen Reiseführer?

Ja. Du brauchst ihn zwar nicht für die genaue Wegbeschreibung, aber er ist z.B. wichtig für einen Überblick der Herbergen. Achtet darauf, dass der Führer aktuell ist, denn auf den Wegen entstehen oft einige neue Herbergen. Empfehlenswert sind die Führer von Raimund Joos:

Muss ich vorher probewandern?

Viele empfehlen, man solle sich einlaufen, mit den Schuhen, den Socken und dem Rucksack. Schaden kann es wahrscheinlich nicht, zumindest die Schuhe müssen auf jeden Fall eingelaufen sein (siehe oben, sonst drohen böse Blasen). Allerdings sollte man auch bedenken, dass die Umstände auf dem richtigen Jakobsweg einfach andere sein mögen und die Energie auf dem Caminho vielleicht größer ist als auf der Probewanderung zuhause.

Was esse ich unterwegs?

Es gibt entlang vieler Wege Restaurants und Cafés, manche bieten sogar spezielle Pilgermenus zu Sonderpreisen an. Wenn eine Etappe keine Einkehrmöglichkeit aufweist, ist das im Reiseführer vermerkt und ihr könnt im Supermarkt vorsorgen. Z.B. mit Müsliriegeln, Nüssen oder frischem Obst, das die nötige Energie für die Wanderung enthält. Eine große Flasche Wasser immer dabei zu haben, ist selbstverständlich Pflicht.

Wo finde ich noch mehr Infos?

Wer Spanisch spricht, dem sei die Seite Gronze.com ans Herz gelegt, hier findet ihr wirklich alle Infos über alle verschiedenen Jakobswege, inkl. aktuell freier Zimmer. Darüberhinaus gibt es für einzelne Jakobswege auch themenbezogene facebook-Gruppen, wo man sich über alles austauscht, um beizutreten, müsst ihr bei facebook angemeldet sein. Wie oben beschrieben, ist ein herkömmlicher Reiseführer darüberhinaus Pflicht (z.B. dieser hier von Raimund Joos für den spanischen Jakobsweg oder dieser hier vom selben Autor diesen für den portugiesischen Jakobsweg).

Was passiert mit mir „spirituell“ auf dem Weg?

Die meisten wählen diese Reise sicher, um eine Auszeit vom hektischen Alltag zu nehmen, bei sich anzukommen, sich Gedanken zu machen, weil sie etwas mit sich herumtragen, dem sie in aller Ruhe und ohne Ablenkung auf den Grund gehen möchten, um etwas zu erfahren. Man sagt, der Weg ruft Dich. Und das stimmt. Also, wenn Du ihn hörst, egal ob mit lautem oder leisem Stimmchen, folge seiner Einladung und sei offen, was der alte Pilgerpfad für Dich bereithält. Deine Jakobsweg-Begegnungen werden nicht zufällig sein, Du wirst darauf die Menschen treffen, die Du treffen sollst.

Sollte ich allein gehen?

Wer alleine geht, ist offener – für neue Begegnungen und Kontakte, aber auch für die inneren Vorgänge, die angestoßen werden. Er hat mehr Gespür für die neuen Gedanken, die während des Pilgerns auftauchen. Wer alleine pilgert, wird diese Reise sicher intensiver wahrnehmen als Pilger, die mit dem Partner oder gar im Trupp losziehen. Er ist offener dafür, mal ein paar Stunden mit jemandem zu gehen und die Lebensgeschichten auszutauschen. Du triffst hier Leute aus aller Herren Länder (sie kommen eigens für den Jakobsweg aus Australien, Brasilien, Kanada) und es ist bereichernd, ihre Geschichten zu erfahren.

„Wenn man nicht in seiner gewohnten Umgebung ist, ist man sehr viel verwundbarer. Aber auch offener für andere Menschen.“  Paulo Coelho

Finde Dein Tempo

Dadurch, dass man auf dem Weg immer anderen begegnet, tendiert man vielleicht dazu, sich ihrem Tempo anzupassen – morgens aufzustehen, wenn sie es tun, dieselbe Etappe laufen zu wollen, die sie planen oder so schnell zu gehen, wie sie gehen. Irgendwann aber lernt man, auf sich selbst zu hören, das eigene Tempo zu finden. Natürlich geht es sich beschwingter, wenn man mal in ein anregendes Gespräch vertieft ist, aber man sollte sich nicht zwanghaft dem Tempo anderer anpassen. Wer dazu tendiert, sollte sich bewusst Phasen des Alleingehens nehmen. Es ist nicht unhöflich, zu sagen, dass man mal allein sein möchte.

Führe Tagebuch.

Sicher bewegt sich auf dem Caminho ein bisschen was bei Dir. Reserviere Dir jeden Abend eine halbe Stunde, um ein paar Gedanken festzuhalten und zu notieren. Beim Schreiben werden Dir Dinge deutlicher klar.

Plane nicht zu viel – pilgere los!

In Zeiten des Internets tendiert man dazu, viel zu googlen, zu lesen und vor einer Reise zu planen. Natürlich sollte man ein paar Basics über das Pilgern für Anfänger wissen, bevor man den Rucksack packt und losmarschiert, aber viel mehr als diesen Artikel und eine gute Packliste braucht ihr kaum zur Vorbereitung zu lesen. Verzettelt euch nicht in Planungen und allzu vielen Was wäre wenn-Gedanken. Lauft lieber einfach los – der Weg wird euch schon auffangen!

In diesem Sinne: Bom caminho! Ich wünsche euch einen schönen Weg und schöne Erfahrungen.

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